4. Lebenstag

Die ganz, ganz enge Lagerbindung löst sich bei Dixi zusehends. Auch wenn sie hauptsächlich eine fürsorgliche Mami ist, so sucht sie immer öfter die gewohnte Zuneigung und familiären Anschluss (auch zur Freude von Oma Alva, die dann heimlich einen genaueren Blick über die Wurfbox werfen und ihre Enkelchen von etwas näher anhimmeln kann), holt sich grinsend und wild wedelnd ein paar Streicheleinheiten von allen ab, ist mit Alva sogar schon durch den Garten geflitzt, hat mit Else eine Runde ausgelassen getobt und hüpft nachts ab und zu für ein paar Minuten zu mir ins Bett, um zu schmusen. Alleine in der Box zu liegen, wird halt irgendwann zu langweilig. Deshalb gönnt sie sich diese kleinen Auszeiten vom Mamisein, wenn alle Wonneproppen versorgt sind. Die Ohren hat sie dabei stets auf Empfang und noch bevor der Zwergenaufstand in Protestbekundungen ausarten könnte, beendet sie ihre Pause und eilt unverzüglich zurück in die Wurfkiste.

Jeden Abend ist Wiegezeit. Die Herren Blau, Gelb und Orange haben nachgezogen. Somit sind nun alle Speckies ein gutes Pfund schwer, machen einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck. Während mein fleißiger Arbeiter Herr Orange jetzt aber mal sowas von den Dreh raus hat, sich an der Milchbar zu behaupten weiß und einen riesigen Sprung gemacht hat, nimmt Herr Blau zwar kontinuierlich, aber im Vergleich zu den anderen eher langsam zu. Er bekommt deshalb von mir etwas Schützenhilfe im Gerangel, bis er in ein oder zwei Tagen wieder aufgeholt haben wird.

Die hinteren Zitzen sind unverändert unbeliebt. Selten verirrt sich einer der faulen Feinschmecker von selbst dorthin. Oft nur, wenn Dixi dezent ungünstig liegt und der betreffende Hungerleidende andernfalls leer ausgehen würde. Meist braucht es schon meine Überzeugungsversuche und selbst die sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Wenn ich deshalb merke, dass die Milchtüten hinten prall gefüllt sind, sich aber kein dankbarer Abnehmer finden lässt, streiche ich es vorsichtig aus, um einem Milchstau und Schlimmerem entgegen zu wirken. Dixis Wohlbefinden steht für mich an absolut erster Stelle und regelmäßige Gesäugekontrolle hat deshalb oberste Priorität.
 

War es bisher nur ein fixer Check auf der Waage und eine Notiz im Wiegeprotokoll, wird es nun Teil einer zehntätigen abendlichen Routine. Ich beginne ganz nebenbei und behutsam mit der frühen neurologischen Stimulation (ENS). Was nach kompliziertem Schnickschnack klingt, sind kurze, gezielte Bewegungsabläufe, die im Rahmen des “Super Dog Program” vom US Militär entwickelt wurden, um die Leistungsfähigkeit ihrer Hunde zu steigern. In diesen ersten Lebenstagen findet – so nimmt man an – ein besonders schnelles neurologisches Wachstum statt und diese gezielten Übungen, jeweils über die kurze Dauer von drei bis fünf Sekunden, sollen später zu einer größeren Stresstoleranz und verbesserter Herz-Kreislauf-Gesundheit führen sowie sich positiv auf die Lernbereitschaft und Problemlösungskompetenz auswirken. Im Rahmen dieses Bio-Sensor-Programms stimuliere ich unter anderen den Tastsinn zwischen den Zehen, halte den Kopf nach oben, nach unten oder den Welpen in Rückenlage. Ob’s wirklich etwas bringt? Wer weiß, ehrlich, keine Ahnung. Bewusst angewandt und wohl dosiert schadet es zumindest nicht und die Speckies machen alle super mit! Das regelmäßige Berühren, Spielen, die Sozialisierung und Beziehung ersetzt das natürlich nicht. Aber geknuddelt werden sie von mir ja sowieso mehr als genug und als bekuschelbar haben sie mich längst und überaus bereitwillig eingestuft. Nicht selten kommt jemand angerobbt und döst ganz fix dicht an mein Bein geschmiegt ein. Sie sind einfach zu goldig!